Die ersten Ergebnisse der neuen Zentralmatura für AHS liegen vor, und es gibt großes Interesse, Unterschiede in den Ergebnissen zu entdecken und möglicherweise auch zu erklären. Es gibt (leider) noch nicht sehr viele Hintergrunddaten, daher sind aufwändige statistische Untersuchungen nicht möglich. Es gibt die Erfolgs- und Mißerfolgsquoten für die Bundesländer, sogar getrennt nach Geschlechtern.

Die Ergebnisse von Burschen und Mädchen sind deutlich verschieden. Die Mädchenanteile an den Maturanten variieren zwischen den einzelnen Bundesländern sehr stark, und außerdem ist die Maturantenquote, also der Anteil des Geburtenjahrgangs, der zur (AHS-)Matura angetreten ist, in den einzelnen Bundesländer sehr verschieden. Daher muss man zumindest als Statistiker die Analyse mit einer Annäherung an diesen Aspekt der Daten beginnen.

Insgesamt treten etwa 1/4 der Mädchen und 1/6 der Burschen eines Geburtenjahrgangs zur Matura an. Daher müssten eigentlich 50% mehr Mädchen als Burschen antreten. Das stimmt allerdings nicht ganz, weil es in jedem Geburtenjahrgang mehr Burschen als Mädchen gibt. 1997 gab es ca. 41100 Mädchen- und 42900 Knabengeburten, also ca 4,8% mehr Buben als Mädchen.

Zur Matura angetreten sind 45% mehr Mädchen als Burschen. Das festzustellen ist sehr wichtig, weil es ein mögliches Erklärungsmodell für Geschlechterunterschiede bietet.

Die folgende Grafik zeigt den Anteil der Mädchen und der Burschen des Jahrgangs 1997, die 2015 in einer AHS zur Matura angetreten sind, für alle Bundesländer.

Die Grafik zeigt vor allem, dass die Maturantenquote in Wien sowohl bei den Mädchen als auch bei den Burschen wesentlich höher ist als in allen anderen Bundesländern. Die Steiermark hat sowohl bei Mädchen als auch bei Burschen die zweithöchste Maturantenquote. Bei den übrigen 7 Bundesländern sind die Unterschiede der Mädchenanteile deutlich höher als die Unterschiede bei den Burschenanteilen. Den niedrigsten Maturantenanteil sowohl bei den Mädchen als auch bei den Burschen hat Vorarlberg, der Anteil ist bei den Mädchen etwa halb so hoch wie in Wien und bei den Burschen sogar weniger als die Hälfte des Wiener Anteils.

In den folgenden Grafiken stellen wir die Maturantenquote dem Anteil der negativen Beurteilungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik getrennt nach Geschechtern dar. Naiverweise könnte man annehmen, dass der Anteil der negativen Beurteilungen mit höherer Maturantenquote auch höher wird, weil dann mehr Schüler und Schülerinnen mit etwas geringeren Fähigkeiten unter den Maturanten sein können.

Bei diesen Grafiken fällt sofort auf, dass Wien sowohl bei den Mädchen als auch bei den Burschen die höchste Maturantenquote hat, aber nur bei den Burschen in Mathematik auch den höchsten Anteil an negativen Beurteilungen. Das simple Erklärungsmodell „höhere Maturantenquote führt zu schlechteren Ergebnissen“ greift also nicht generell. Vorarlberg hat sogar bei den Mädchen mit der geringsten Maturantenquote das schlechteste Ergebnis in Mathematik.

Nun zu den Geschlechterunterschieden. In Deutsch schneiden die Mädchen (außer in Kärnten) merklich besser ab als die Burschen. Da deutlich mehr Mädchen als Burschen maturiert haben steht das im Widerspruch zur naiven Arbeitshypothese „höhere Maturantenquote - schlechtere Ergebnisse“. Eine mögliche Erklärung ist aber einfach zu finden. Bei PISA (da werden 14- und 15-jährige getestet) schneiden Mädchen beim Lesen deutlich besser ab als Burschen. Wenn man das verallgemeindernd auf den Umgang mit der Muttersprache überträgt (bei PISA wird nur gelesen, bei der Matura wird gelesen und geschrieben), dann kann es sein, dass selbst die schlechteren Mädchen immer noch besser sind als durchschnittliche Burschen. Der Geschlechterunterschied ist übrigens nicht besonders groß; im Burgenland beträgt er 4,5%, in allen anderen Bundesländern weniger als 2%. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind bei den Mädchen deutlich geringer als bei den Burschen. Warum das so ist sollte man vielleicht etwas eingehender untersuchen.

Anders als in Deutsch sind in Englisch die Burschen besser als die Mädchen, und zwar in allen Bundesländern. Im Burgenland ist der Anteil negativer Beurteilungen mit mehr als 12% bei den Mädchen mehr als doppelt so hoch als mit knapp mehr als 6% bei den Burschen. Ebenfalls anders als in Deutsch sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern bei den Mädchen deutlich größer als bei den Burschen. Das mögliche Erklärungsmodell „mehr Maturanten - schlechtere Ergebnisse“ greift auch bei Englisch nicht, eine derartige Tendenz ist weder bei den Ergebnissen der Burschen noch der Mädchen erkennbar. Die Englisch-Ergebnisse kann man nicht zu Tests in früherem Alter in Relation setzen. PISA und die anderen großen internationalen Bildungsvergleichstudien testen keine Fremdsprachenkenntnisse. Es gab zwar 2013 nationale Tests zu den Bildungsstandards in der 8. Schulstufe in Englisch, deren Ergebnisse sind aber unter Verschluss und stehen daher leider nicht für vergleichende Untersuchungen zur Verfügung.

In Mathematik gibt es die größten Unterschiede, und zwar vor allem bei den Mädchen. Besonders auffällig ist, dass in Vorarlberg, dem Bundesland mit der niedrigsten Maturantenquote bei den Mädchen, das Mathematik-Ergebnis der Mädchen mit fast 20% negativen Beurteilungen am schlechtesten ist. In Salzburg ist Ähnliches zu beobachten, nämlich ziemlich schlechte Ergebnisse bei niedriger Maturantenquote bei den Mädchen. Auch in Tirol und Kärnten gibt es einen ähnlichen Effekt, wenn auch in geringerem Maße. Die Burschen schneiden deutlich besser ab. Nur in Mathematik hat übrigens Wien das schlechteste Ergebnis bei den Burschen, in allen anderen Bereichen liegt Wien (trotz sehr hoher Maturantenquote) eher im Mittelfeld. Zieht man zur Beurteilung des Geschlechterunterschieds in Mathematik noch PISA heran, dann stellt man fest, dass bei PISA die Burschen deutlich besser abschneiden als die Mädchen. Damit ist schon einmal plausibel, dass das auch bei der Matura der Fall ist. Außerdem treten mehr Mädchen als Burschen zur Matura an, daher liegt der Verdacht nahe, dass da auch mehr weniger gute Mädchen dabei sind und daher der Geschlechterunterschied der Gesamtpopulation noch überzeichnet wird.

In Deutsch heben einander anscheinend die beiden Effekte Geschlechterunterschied (Mädchen sind besser) und unterschiedliche Maturantenquote (mehr Mädchen machen AHS-Matura) teilweise auf. In Mathematik dagegen verstärken einander die Effekte Geschlechterunterschied (Mädchen sind schlechter) und Maturantenquote (mehr Mädchen machen AHS-Matura).

Auffällig in den Daten ist, dass Oberösterreich sowohl bei Mädchen als auch bei Burschen besonders gut abschneidet. Allerdings hat Oberösterreich sowohl bei Mädchen als auch bei Burschen eine ziemlich niedrige Maturantenquote.

Am deutlichsten sichtbar wird Handlungsbedarf in Mathematik bei den Mädchen. Man sollte wohl dringlichst klären, wie es da zu den sehr großen Unterschieden zwischen den Bundesländern kommt, und wie es sein kann, dass geraden in den beiden Ländern mit niedrigsten Mädchenmaturantenquote die Ergebnisse der Mädchen besonders schlecht sind.